
Die Statik überlistend, beeindruckt die kolossale Reiterstatue des ersten Siegers gegen Napoleon, Erzherzog Karl, vorwärtsstürmend auf seinem sich aufbäumenden und nur auf den Hinterbeinen stehenden Pferd sogar sein Gegenüber, den Prinzen Eugen. Seinem Schöpfer, Anton Dominik Fernkorn, hat das geniale Meisterstück im Zentrum des imperialen Wien indes kein Glück gebracht, insofern ihm das Kunststück beim Standbild des Prinzen Eugen nicht mehr gelang, das sein Gewicht auf den mächtigen Schwanz verlagern musste, worauf der Gekränkte, unter Kuratel gestellt, sein weiteres Leben hauptsächlich in psychiatrischen Anstalten verbrachte.
Ein nicht weniger trauriges Schicksal widerfuhr den Architekten der Wiener Oper, August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll, als der im Stil der Neorenaissance errichtete Prachtbau an der neuen Wiener Ringstrasse von den Wiener*innen und auch von Kaiser Franz Joseph als „versunkene Kiste“ geschmäht wurde, was den gekränkten van der Nüll nach zahlreichen Intrigen und Kritik in den Freitod trieb.
Dem erschütterten Kaiser hat es darob derart die Sprache verschlagen, dass sich nicht nur sein öffentlicher Wortschatz auf das legendäre „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“ reduziert hat, sondern Gerüchten zufolge auch die private Kommunikation mit seiner Gattin Elisabeth zunehmend dem minimalistischen, etwas monotonen Mantra unterlag.
Die Gleichzeitigkeit von Glanz und Depression, die Allgegenwart des Todes und die trotz allem ungebrochene Lebenslust, wie sie das Wiener Original des Lieben Augustin verkörpert, die brillantesten intellektuellen und künstlerischen Leistungen und die tiefsten menschlichen Abgründe sind es, die Wien anders machen.
Schräg hinter der Oper hüten die monumentalen Figuren des Mahnmals gegen Krieg und Faschismus Alfred Hrdlickas die Erinnerung an das monströse Morden der Nazis und geben sich ein Stelldichein mit dem Hasen Albrecht Dürers in der grössten Graphik-Sammlung der Welt, der Albertina, einer nach seinem Stifter benannten Gründung des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, die im letzten Vierteljahrhundert unter der Generaldirektion Klaus Albrecht Schröders zu Österreichs bedeutendstem Vermittlungsprojekt moderner Kunst geworden ist.
Mit Recht findet sich Wien seit Jahren immer wieder an der Spitze diverser Rankings der lebenswertesten Städte der Welt, was sich einer vielfältigen Gastronomie und fröhlicher dionysischer Unterhaltung verdankt, den zahlreichen Sehenswürdigkeiten wie Stephansdom, Schönbrunn oder Belvedere, den Museen, Opernhäusern, Theatern, den Wiener Festwochen, dem ImPuls Tanzfestival, einer funktionierenden Infrastruktur und Verwaltung, dem sozialen Wohnbau und der Gesundheitsversorgung.
Ganz zu schweigen vom Prater mit seinen prächtigen Alleen, Wiesen, dem Stadion und seinem legendären Vergnügungspark sowie von der zu Zwecken des Hochwasserschutzes aufgeschütteten Donauinsel, ein Naherholungsgebiet sondergleichen mit 42 Kilometer Gestade an der Neuen Donau, die seither nicht nur die periodischen Hochwasser von Wien fernhält, sondern auch die ÖVP, die wütend gegen ihren Bau protestiert hatte.
Wer es ruhiger liebt, sucht die lauschigen Plätze und Heurigen an den Abhängen des Wienerwalds auf, die leicht auch mit einer der neuen dysfunktionalen und völlig verbauten Bims erreichbar sind, wie die Strassenbahnen von ihren Einwohner*innen liebevoll genannt werden. Beim illuminierten Rückweg fällt das ohnehin nicht mehr so auf.
Eine weltoffene, bunte Metropole. Möge es so weitergehen! Wien is leiwand.