Die Fischerin vom Bodensee

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In lebhafter Erinnerung lebt jene Legende von der blonden Maid fort, die den Schulkindern noch heute Schrecken einjagt und den Anrainern des Schwäbischen Meeres wohlige Schauer verursacht, die Geschichte von der schönen Fischerin vom Bodensee, die, des konventionellen Fischens im von einem Schwan gezogenen Kahn und des Anblicks des Sees mit seinen lieblich tanzenden Nixen überdrüssig, in hybrider Verblendung Schwebenetze gegen Sprengstoff tauschte, um der Fischlein habhaft zu werden, und bei einem solchen Versuche im Abendrot der leuchtenden Sonne in den Tiefen des laut gurgelnden Sees verschwand.

Die Abhängigkeit von russischem Gas sei von 80 auf 50 Prozent reduziert worden, man müsse bloss die Sanktionen wirken lassen und brauche strategische Geduld und Nervenstärke, meinte der österreichische Aussenminister noch zu einem Zeitpunkt, als mächtige Explosionen drei der vier Stränge der Erdgas Pipelines North Stream irreparabel zerstört hatten. 

„Thank you, USA“, hatte der ehemalige polnische Verteidigungsminister Sikorski den Nachforschungen die Richtung gewiesen, wer denn für das 10-Milliarden-Euro-Loch der in Polen und der Ukraine verhassten Pipelines verantwortlich sei. 

Klar war, ein dänischer Fischkutter konnte mit seinem Anker die Leitungen nicht derart beschädigen, dessen waren sich die Anrainerstaaten Dänemark und Schweden sofort einig, wenngleich sie sich bei der Aufklärung des Sachverhalts Deutschland gegenüber nicht so kooperativ zeigten, wie man es erwarten hätte können. 

Den schwedischen Strafverfolgungsbehörden war indes sofort bewusst, dass es sich jedenfalls um Sabotage handeln müsse und dass die am Tatort beschlagnahmten Teile gegebenenfalls zu einer späteren Strafverfolgung führen könnten.

Zu jenem Zeitpunkt war jedoch jener US-Flottenverband, der sich im Rahmen einer Militärübung bis eine Woche vor den Explosionen in besagtem Gebiet befand, bereits wieder abgereist, was dem Hohen Aussenbeauftragten der EU und der Kommissionspräsidentin, die zuvor den Saboteuren mit einer „robusten und gemeinsamen Reaktion“ gedroht hatten, doch sichtliche Erleichterung verschaffte.

Den Verschwörungsschwurblern in den österreichischen Qualitätsmedien mit ihrem analytisch scharfen Verstand war indes schnell klar, dass nur der russische Präsident hinter der Sabotage stecken könne, um ein diffuses Bedrohungsgefühl zu erzeugen, weshalb er in selbstschädigender Weise lieber Sprengstoff genommen habe, um die eigene Leitung stillzulegen, statt einfach die Hähne zuzudrehen. 

Dass die USA die Energieinfrastruktur ihrer europäischen Freunde zerstören würden, sei jedenfalls undenkbar, schliesslich habe die CIA die deutsche Regierung vor Anschlägen auf die Pipelines gewarnt.

In der Stunde grosser Erklärungsnot und verständlicher Einsicht, dass  unter solch unklaren Bedingungen einen Krieg zu führen sehr unbequem war, kam dem österreichischen Aussenamt der Zufall zu Hilfe, als einem Ministerialbeamten beim Studium des Cercle Diplomatique  just jene Geschichte von der Fischerin vom Bodensee in die Hände fiel, deren Reinkarnation der lästigen Causa mit den vermaledeiten Gasröhren eine schicksalshafte Wendung zu geben imstande war. 

Des wechselseitigen Misstrauens genug und weil der Nachweis nicht so leicht zu führen war, einigte man sich rasch auf die Fischerin als die eigentliche Attentäterin und setzte der verwunschenen Nymphe mit der neuen Europahymne ein Denkmal der Verbundenheit anstelle der alten Ode „An die Freude“, deren sperrigen Text Schillers mit dem Elysée ohnehin nur die Franzosen verstanden und deren komplexe Musik Beethovens den Anforderungen eines schlichten Volksliedes im Sinne der Europäischen Kommission und deren Politik nicht mehr zu entsprechen vermochte.

Die neue Hymne finden Sie hier https://www.youtube.com/watch?v=HQfh5st6Pls