Die kleinen Prinzen und eine Prinzessin

„Die Gründungsväter und -mütter Europas haben, aus den Trümmern und der Asche der Weltkriege, ein gewaltiges Werk errichtet. Frieden.“

Ursula von der Leyen, Präsidentin EU-Kommission, euronews, 16.07.2019 

„Natürlich bedeutet eine Brutalisierung des Krieges auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen muss.“

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, n-tv 15.04.2022

 „Ich respektiere jeden Pazifismus und jede Haltung. Aber es muss den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihnen gesagt wird, man solle sich gegen die Putinsche Aggression ohne Waffen verteidigen. Das ist aus der Zeit gefallen.“

Olaf Scholz, Bundeskanzler, Twitter 01.05.2022

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O du schöner Westerwald / Über deine Höhen pfeift der Wind so kalt /…

Ist das Tanzen dann vorbei / gibt es meistens Keilerei /

Und dem Bursch, den das nicht freut, / sagt man nach, / er hat kein Schneid /…

Olaf, pfeift´s  im Westerwald / Olaf lässt uns niemals kalt.

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Das wollte sich der kleine Olaf nicht nachsagen lassen. Zunächst hatte man seine Zurückhaltung noch als Zaudern, sein Schweigen als hanseatische Noblesse ausgelegt, aber dann hatte doch die Vernunft der Grünen über seine eigene gesiegt. Insider munkeln, die österreichischen Grünen hätten dabei Regie geführt.

Es gäbe Situationen, in denen militärische Mittel unausweichlich seien, aber theoretisch (!) sei er noch immer Pazifist, so der Berater des österreichischen Vizekanzlers. Sich solidarisch mit der Ukraine zu zeigen, sei eine Sache, Waffenlieferungen gutzuheissen, eine andere (?), so deren aussenpolitische Sprecherin, Waffenlieferungen gehörten zur Selbstverteidigung dazu (!). Wenn jemand aus dem reichen Westen komme, gesättigt mit russischem Gas, so der Theologe, und der Ukraine nahelege, sich nicht zu wehren (wer tut das?), dann sei man nicht unbeteiligt, weil wir durch unseren Öl- und Gaskonsum den Krieg finanzierten. (Die Waffenlieferungen hingegen sind gratis und finanzieren den Krieg nicht.) Gewaltfreier Widerstand sei mühsam und müsse in Jahren aufgebaut werden, fügt der freundliche Theologe noch rasch einen Topos hinzu. derStandard, 05.05.2022

Dem für diese Anthologie ausgesuchter moralischer Prinzipien und intellektueller Redlichkeit verantwortlichen Redakteur ist der Dank der Republik für diese Offenbarung sicher.

Flugs war die Lösung gefunden. Öl ist unmoralisch, weshalb man es woanders einkaufen muss, in Venezuela etwa wie die USA bei dem von ihnen verfemten Diktator Maduro oder Italien in Algerien oder Österreich in der Steiermark. Gas hingegen ist ethisch einwandfrei und noch dazu klimaneutral. Das darf man auch von Russland kaufen, trotz Sanktionen, Prinzessin Ursula auf der Erbse.

Mit dem Pazifismus sei es so eine Sache, er relativiere sich quasi an der Zeit, aus der er gefallen sei, die krude Erklärung des zum Philosophen mutierten Prinzen Olaf, warum man Panzer nach Kiew liefern müsse. Der kleine Denker von der Waterkant hat recht, Pazifismus ist fast so ansteckend wie Denken. Einmal angesteckt, hilft die Herdenimmunität. Aber wenn alle immun sind, wohin dann mit den Panzern?

Ergriffen lauschte der Bundestag in seiner religiösen Weihestunde im schicksalsträchtigen Reichstag der martialischen virtuellen Inszenierung des kleinen Prinzen Wolodymyr im U-Bahnschacht von Kiew, mit Fahnen bunt geschmückt, Blut geleckt fürs Vaterland, der Sohn der geflügelten Nike, unsterblich auf dem Sockel der Geschichte.

Andächtig klatschten die Volksvertreter*innen, zollten stehend Beifall dem Umkränzten.