
Ein wenig von diesem Werteverständnis von Freiheit und Demokratie 3 schimmerte in der Inaugurationsrede von Donald Trump, wenn auch im unverbindlichen Ton von Patrioten, abgesehen von ein paar klaren Kampfansagen an das Establishment, wen immer er damit gemeint haben mag, gegen das Verbrechen und den radikalen islamischen Terrorismus, und mit der Vision des „America first“, also jeder Entscheidung über Handel, Steuern, Immigration, Aussenpolitik zum Nutzen der amerikanischen Arbeiter und amerikanischen Familien. Es sei Zeit, sich an die alte Weisheit zu erinnern, die unsere Soldaten nie vergessen werden, meinte der in Rassismusfragen versierte neue Präsident: „Ob wir nun schwarz, braun oder weiss sind, wir alle bluten das gleiche rote Blut der Patrioten.“
Sehr rasch wurde klar, was damit gemeint war. Kurz nach seinem Amtsantritt begnadigte er alle Patrioten des Kapitolsturms mit zahlreichen Verletzten und immerhin fünf Toten vom 6. Januar 2021, ungeachtet der Schwere ihrer Straftat und falsifizierte damit auch jene Ansicht Sir Karl Poppers, wonach die beste Staatsform die Demokratie sei, weil es möglich sei, die Herrschenden ohne Blutvergiessen loszuwerden.4
Joe Biden, der wegen der Amnestie seines in unlautere Geschäftsbeziehungen mit ukrainischen Oligarchen verstrickten Sohn bei der Feier etwas beschädigt danebenstand, blickte leicht verdattert.
Ebenso konsterniert war auch der kolumbianische Staatschef und ehemalige Guerrillero Gustavo Petro, der etwas selbstvergessen angekündigt hatte, dass sich sein Land nicht von den USA herumkommandieren lassen werde, bis tags darauf bekannt wurde, dass der neue amerikanische Präsident als Antwort auf die verweigerte Landung zweier Militärmaschinen mit kolumbianischen Migrant*innen Zölle in der Höhe von 25% bzw. 50% auf Waren aus Kolumbien angekündigt und ein Einreiseverbot und sofortigen Visaentzug für kolumbianische Regierungsbeamte und Unterstützer der kolumbianischen Regierung angeordnet hatte. Kaum war die Sonne untergegangen, stimmte die kolumbianische Regierung der Sinnhaftigkeit dieser Massnahmen zu und schickte die Präsidentenmaschine zur erleichterten Rückkehr der Kolumbianer*innen.
Dass die Einwanderungsbehörde ICE (United States Immigration and Customs Enforcement) mit „gezielten Einsätzen“ gegen Migrant*innen ohne Aufenthaltserlaubnis begonnen habe und Trump sofort nach seinem Amtsantritt den nationalen Notstand an der Grenze zu Mexiko ausgerufen hat (APA, 26.01.2025), unterstreicht die Entschlossenheit der USA, seinen „Hinterhof sauber zu halten“, wie immer schon, und notfalls mit geheimdienstlicher oder militärischer Gewalt, auch wenn es der kolumbianische Präsident kurzfristig vergessen hatte.
Nachdem es aber auch unterschiedliche Auffassungen über die Eigentumsrechte am Panama-Kanal gibt, haben die panamerikanischen Regenten beschlossen, die bewährten „Frühstücksgespräche in Miami“ zwecks unmissverständlicher Konfliktregelung wieder aufzunehmen.5
Abgesehen von Randthemen wie dem Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation WHO und aus dem Klimaschutzabkommen ist klar, dass es in Bezug auf einen freien Marktzugang und zwecks Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten vor allem gegen die traditionellen Gegner Iran, Russland und China die Aufrechterhaltung der hegemonialen Stellung der USA als einzige militärische Supermacht braucht. Nichtsdestoweniger erscheint die Sorge des neuen Präsidenten und dessen Forderung nach einer Aufstockung der Verteidigungsausgaben der NATO-Partner von zwei auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP etwas übertrieben, geben doch die Vereinigten Staaten bereits 2023 für das Militär 916 Mrd. US-$ aus, mehr als die nachfolgenden neun Länder zusammen, nämlich China (296), Russland (109), Indien (83,6), Saudi Arabien (75,8), Vereinigtes Königreich (74,9), Deutschland (66,8), Ukraine (64,8), Frankreich (61,3) und Japan (50,2), also insgesamt 882,4 Mrd. US-$.6
Die Ansage des neuen Machthabers im Weissen Haus, den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden zu beenden, hat zwar nicht gehalten, aber angesichts des Vorrückens der russischen Armee ist trotz der von ihm angekündigten Verhandlungen mit der OPEC und Saudi-Arabien über einen niedrigeren Ölpreis, der Russland zur Beendigung des Krieges zwingen würde, auch der neue Zeithorizont von 100 Tagen etwas euphemistisch. Ein rasches Ende des Krieges muss also niemand fürchten, nicht einmal die Kommission der Europäischen Union.
Mehr fürchten müssen Europa und insbesonders Deutschland die nicht unbeträchtlichen Folgen der westlichen Sanktionspolitik vor allem gegen den russischen Energiesektor. Die entstandenen Versorgungslücken werden zweifellos mit Öl- und Gasimporten aus den USA gefüllt werden können, freut sich die amerikanische Regierung über die mächtig gewachsene Energiedominanz, aber ganz billig wird das nicht für Europa. Schon jetzt betragen die Energiepreise in den USA nur ein Viertel dessen, was Energie in Europa kostet, stöhnen die rezessionsgeplagte Industrie und bald auch die Haushalte, weshalb die informellen Debatten in Brüssel schon begonnen haben, ob die Sanktionspolitik der EU-Kommission wirklich so schlau ist.
Mitten in die schwerste Sinnkrise der Kommission platzt die nächste Hiobsbotschaft. Der wenig kopfballstarke grönländische Fussballverband hatte um Aufnahme in den Fussballverband von Nord- und Zentralamerika gebeten, nachdem ihm eine Mitgliedschaft in den europäischen Verband UEFA mangels sichtbarer Leistungen verwehrt geblieben war, einen Ball, den Donald gerne aufnahm und sogleich die Annexion Grönlands notfalls auch mit Gewalt ankündigte.
Nach dem skandinavischen Fiasko mit der Aufgabe der Neutralität Schwedens und Finnlands und deren Flucht unter die Fittiche der NATO, die die ehemalige finnische Ministerpräsidentin gleich mit einer persönlichen Flucht in das Institut der britischen Schutzmantelmadonna Tony Blair verband, änderte der dänische König sogleich sein Staatswappen durch Hinzufügung eines Eisbären für Grönland und eines Widders für die Faröer-Inseln, um den Rechtsanspruch des Königreichs auf seine Kolonien zu unterstreichen, während Ursula von der Leyen im Berlaymont mit ihrer Kommission intensiv darüber beriet, wie man die Russland-Sanktionen am besten für die USA adaptieren könnte.
Da ertönte plötzlich aus dem Weissen Haus schallendes Gelächter, dass sich selbst die Eisbären in Grönland vor Lachen krümmten.
3 https://www.walterposch.at/trump-so-what/
4 Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1945
5 Reinhard Lettau, Frühstücksgespräche in Miami, Carl Hanser Verlag 1977
6 de.statista.com, Militärausgaben 2023, zitiert nach SIPRI, Stockholm International Institut Peace Research Institute