Sanktionenritter, Waffenschieber und eine Uschanka

Weisse Uschanka
Weisse Uschanka, © Petar Milošević

Mit zunehmender Dauer gewinnt die Frage, wie der Krieg in der Ukraine unvernünftigerweise noch länger fortzusetzen sei, eine strategische Bedeutung, weil dem Tod von Tausenden den Heldentod für die Heimaterde sterbenden Menschen nichts Menschliches anhaftet. Angesichts einer sehr unterschiedlichen Interessenslage ermöglicht ein langer Krieg anderseits die Chance eines nachhaltigen Wiederaufbaus, zumindest innerhalb eines Jahrhunderts, wissen einige der Beteiligten, wie der NATO-Generalsekretär, der gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte, eng mit Rüstungskonzernen zusammenzuarbeiten, um die Ukraine im Krieg gegen Russland langfristig mit mehr Waffen und Ausrüstung versorgen zu können.

Für grosse Aufregung sorgte daher kürzlich ein Bericht der in diplomatischen Kreisen sehr beliebten Monatszeitschrift „Le Canard Autrichien“, wonach sich die NATO zwecks Erstellung des Masterplans „In Peace We Trust“ zur Umgehung der zahlreichen nationalen Waffenexport-Gesetze der Dienste des im Kreis von Rüstungskonzernen nach wie vor sehr angesehenen österreichischen Lobbyisten A. M.-P., Ehemanns einer ehemaligen österreichischen Ministerin, bedienen wolle. Der Betroffene selbst wollte dies jedoch unter Berufung auf seine Tätigkeit als Land- und Forstwirt weder bestätigen noch dementieren.

Nachfragen im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten ergaben diesbezüglich ebenso keine Bestätigung. Unter Hinweis auf das strenge österreichische Waffenexportgesetz und die österreichische Neutralität könne man solche Aktivitäten freilich ausschliessen. Österreich habe sich bei Kriegen oder völkerrechtswidrigen Interventionen in der Vergangenheit ausschliesslich humanitär engagiert, und mit Sanktionen wie der Ausweisung von Diplomat*innen sei man, dem österreichischen Naturell entsprechend, stets sehr zurückhaltend gewesen, wer auch immer der Aggressor gewesen sei. 

Nun, entgegen der allgemein durchgesetzten Propaganda meinte jüngst ein ehemaliger deutscher Bundeskanzler, der selbst einige Erfahrung mit völkerrechtswidrigen Überfällen hat, nicht zu unrecht, dass am besten Verhandlungen seien, wie auch jene Initiative der Vereinten Nationen und der Türkei eindrucksvoll bestätigt, die ein Abkommen zwischen Russland und der Ukraine vermittelt und nunmehr Getreideexporte aus der Ukraine zum Wohle der Ukraine selbst und all jener, die des Getreides zu leistbaren Preisen dringend benötigen, ermöglicht hat, und anderseits zeigt, dass mit Russland sehr wohl zu reden und zu verhandeln ist, vernünftige Gegenüber vorausgesetzt – und die Zustimmung der USA; allerdings die Tatsache grob verkennend, dass die Völkerrechtswidrigkeit mehr vom Täter und weniger vom Tatbestand als solchen abhängt, was zu einigem Ungemach mit seiner Bundesrepublik geführt hatte, die ihm ihre Dankbarkeit daraufhin mit dem Entzug etlicher Benefizien erwies.

Während indessen in Deutschland intensiv die Debatte über die Errichtung von Wärmestuben im Winter – ähnlich jenen des Jahres 1929/30 – hochkocht und Phrasen wie „Schulterschluss“, „Zusammenhalten-Müssen“, „Sich-nicht-spalten-Lassen“ etc. Hochkonjunktur haben, ist die grüne Speerspitze der NATO, der deutsche Wirtschaftsminister, unermüdlich am Ausstossen von Warnungen dran wie jener vor Zwangsdrosselungen von Gas, weil das seiner Meinung nach „zu einer schweren Wirtschaftskrise“ in Deutschland und Europa führen würde. (Stern, 27.06.2022) 

Inzwischen ist die EU-Kommissionspräsidentin intensiv mit den Vorbereitungen auf das Schlimmste beschäftigt, wie sie der spanischen Zeitung „El Mundo“ erklärte. „Debemos estar todos preparados para la peor situación con el gas.” 

Zu diesen Vorhaben gehören einerseits die Erstellung eines neuen Friedensnarrativs mit klassischer Täter-Opfer-Umkehr so ähnlich wie „Russland hat Sanktionen verhängt und drosselt deshalb die Gaslieferungen“, weshalb völlig klar ist, dass Putin ein Despot sei, der es nicht ertragen kann, dass Menschen in Europa in individueller Freiheit und Unabhängigkeit leben, wie es ähnlich lautend schon mal der österreichische Bundespräsident und der deutsche Wirtschaftsminister formuliert haben.

Anderseits beweist die, wie man munkelt, beratungsresistente, aber sehr empfindliche Ohren habende Präsidentin angesichts der drohenden Energiekrise und der eigenen Sorge vor einem kühlen Büro einen erstaunlichen Sinn für Pragmatismus mit ihrer Wirtschaftsinitiative „Uschanka für Europa“, mittels der der Alltag auch in ungeheizten Büros und Wohnungen erträglich sein wird. Angeblich habe der russische Präsident zugesagt, die dafür notwendigen 200 Millionen Stück noch rechtzeitig vor dem Winter zu liefern, um das fehlende Gas zu kompensieren, sofern Uschankas vom Sanktionenregime der Europäischen Union ausgenommen sind.