Stellt’s meine Ross‘ in Stall

Stellt’s meine Ross‘ in Stall
Bald kriagn’s zum letzten Mal
A Sackerl Hafer und a Heu.
Dann hängt’s das G’schirr an d’Wand,
Bald kriag’ns a Halfterband,
Dann kommt der Abschied für uns drei.

…heisst es im berühmten Wienerlied von Savara/Wunsch, wenn es nach dem neuen Bundesminister für Tier- und Menschenschutz, dem Vorarlberger Johannes Rauch geht. „Alles nur Schall und Rauch“, sagen die Fiaker, wenn das Thema seit Jahren rechtzeitig vor der Sommerhitze hochkocht in Pferdefachjournalen wie dem Vienna Kurier und unterstellen dem Minister gar Pferdephobie.

Und so geht die bedeutendste Debatte des kommenden Sommers in die nächste Runde, unversöhnlich prallen die hippologischen Gegensätze aufeinander, Tierquälerei, ereifern sich die einen und fordern eine Novelle der sommerlichen Hitzeverordnung für Fiaker-Pferde, die schon ab 30° ins Homeoffice in die Stallburg zu den Lippizanern übersiedeln sollen. 

Alleinstellungsmerkmal Wiens, insistieren die Tourismusverantwortlichen und verweisen auf die historische Bedeutung des Pferdefreundes Philipp II. von Makedonien, des Vaters Alexander des Grossen, und den unverzichtbaren Fremdenverkehr aus den Gebieten des Balkans und Griechenlands, insbesonders im Hinblick auf die Bemühungen Nordmazedoniens um Aufnahme in die Europäische Union, was aber der Minister nicht gelten lassen will, der die Fiaker für „aus der Zeit gefallen“ hält, um mit dem überstrapazierten Idiom auch seine kulturhistorische Bildung zu demonstrieren.

Die Fiakergewerkschaft wiederum weiss gar die Veterinärmedizinische Universität auf ihrer Seite, die in einem Gutachten die Unschädlichkeit von Hitze für Pferde bis 35° bestätigt hat und bei entsprechendem Pferdeschutz mittels mobilen Baldachinen sogar Temperaturen von 40° für zumutbar hält, und bezeichnet das Fiakerverbot als neues „Rauch“-Verbot, um mit der doppeldeutigen Bezeichnung Nikotinjunkies gegen die ministerielle Ungeheuerlichkeit zu mobilisieren.

Zu alledem hat sich herausgestellt, dass der strittigen Frage auch noch ein ungelöster Kompetenzstreit zwischen Bund und Stadt Wien zugrundeliegt, die die Verantwortung für die Lösung des Problems wechselseitig der jeweils anderen Körperschaft zuschieben.

In dieser schier ausweglosen Situation gewinnt der Vorschlag eines Hutschenschleuderers mit mazedonischem Migrationshintergrund aus dem Wiener Wurstelprater existentielle Bedeutung, im Sommer bei grosser Hitze ausrangierte Karussellpferde zu motorisieren, statt lebendige Rappen einzusetzen, in der Hoffnung, dass nach einer langen Zeit der Abwesenheit aufgrund der Corona-Pandemie die wieder zahlreicher erscheinenden Tourist*innen den Unterschied nicht merken würden, womit sich auch der Wiener Tourismusdirektor besänftigt zeigt, assistiert von den Gastronomiebetrieben, die berechtigterweise um ihr solcherart sinnentleertes Fiakergulasch gefürchtet hatten.

Und so wird auch in Zukunft gelten…

Die allerhöchste Gaudi 
Is mir ’s Fiakafahr’n, 
A so was g’freut die Weaner, 
Da strömen s’ hin in Schaar’n. 

(Eine Vorarlberger Übersetzung dieses bedeutenden Wienerlieds liegt bedauerlicherweise nicht vor).