Die Unersetzliche oder Wie der Krieg sich weiterdreht

Der Monat Jänner hatte gut begonnen, als die Präsidentin der EU-Kommission zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt bekanntgab, sich noch nicht für eine Wiederkandidatur für das Amt in zwei Jahren entschieden zu haben, um sich der rechtzeitigen Zustimmung ihrer Claqueure zu versichern. „Ursula, du bist unersetzlich wie die glitzernden Pretiosen des Grünen Gewölbes!“, tönte es sogleich aus allen Ecken Europas. Ob der Korruptionsskandal im EU-Parlament oder jener im Umfeld des befreundeten ukrainischen Präsidenten für den Wankelmut der Präsidentin ausschlaggebend war, ist nicht bekannt. Jedenfalls meldeten sich postwendend auch Stimmen, die diese günstige Wendung für das Schicksal Europas nicht verstreichen lassen wollten und der Unersetzlichen bedeuteten: „Geh doch einfach, am besten gleich!“

Die gute Nachricht war noch nicht verhallt, als jene über die Lieferung von Kampfpanzern Deutschlands und seiner europäischen Verbündeten an die Ukraine die Öffentlichkeit erreichte, womit die Auseinandersetzung, die 2014 genau 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges im Donbas als bewaffneter Konflikt begonnen hatte, gute Chancen hat, sein mörderisches Vorbild zu erreichen. 

Von Polen, dem in rechtsstaatlichen Fragen bei der Präsidentin und deren Kofferträger, dem EU-Ratspräsidenten, ansonsten nicht sehr beliebten Mitglied der europäischen Familie, mächtig unter Druck gesetzt und sogar mit Reparationsforderungen in Billionenhöhe moralisch kompromittiert, gab der lange zögernde Kanzler sehr zur Freude seiner koalitionären Freund*innen, die die „erlösende Nachricht für das geschundene und tapfere ukrainische Volk“ begrüssten, schliesslich nach und erlaubte die Lieferung der niedlichen Leoparden, wohl wissend, dass das Schinden des ukrainischen Volkes damit noch etwas länger andauern könnte, und auch zur Freude seines ukrainischen Regierungskollegen, der das Jahr 2023 schon zum Jahr des Sieges proklamierte und sogleich für die Helden an der Front Kampfflugzeuge und Langstreckenraketen forderte.

Zwar schliessen sowohl der amerikanische Präsident als auch der deutsche Kanzler solches (noch) aus, aber schon melden sich nicht nur der korruptions- und kriegsaffine EU-Aussenbeauftragte, sondern auch die SPD-Vorsitzende mit der Festlegung, sich diesbezüglich nicht festlegen zu wollen, weil die aktuelle Situation immer wieder neu bewertet werden müsse, so die dem linken Parteiflügel zuzählende „Pazifistin“, das verstörende Dilemma offenbarend, wie es denn die SPD mit dem Krieg halte.

Der Kreml wertet die Entscheidung über die Kampfpanzer als direkte Beteiligung am Krieg und zeigt sich enttäuscht über die Äusserungen der ehemaligen deutschen Kanzlerin, die die Minsker Abkommen verteidigt hatte als „Versuch, der Ukraine Zeit zu geben, um sich zu stärken.“ Er hätte den Eindruck gehabt, dass die Führung der BRD immer aufrichtig eine Einigung auf der Grundlage der vereinbarten Prinzipien angestrebt hat, erklärte der russische Präsident das wenig schmeichelhafte Urteil über die deutsche Führung im konservativen „Merkur“, weshalb er sich frage, mit wem man es überhaupt zu tun habe.

Nun ja, zum Beispiel mit der deutschen Aussenministerin, die die Einrichtung eines „Sondertribunals für Russlands Aggressionsverbrechen“, basierend auf ukrainischem Recht (!), ausgerechnet in Den Haag präsentierte, wo sie den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) besuchte, der genau für jene Verbrechen zuständig ist, nämlich Völkermord, Aggression, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Zwar haben die USA und Russland das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs erst mal gar nicht ratifiziert und sich damit jeglicher Verantwortung vorsorglich entzogen. Dennoch besteht die Chance zumindest für die europäischen Beitragstäter, ihren Richter zu finden. Für die Hauptakteure bleibt bloss der Friedensnobelpreis.  

Jetzt sei es wichtig, Beweise zu sammeln, sekundierte die eifrige österreichische Justizministerin ihrer grünen Amtskollegin und dem mit der Errichtung eines „echten“ Strafverfolgungsbüros befassten EU-Justizkommissar. 

Einen ersten diesbezüglichen Erfolg konnte die ambitionierte deutsche Bundesaussenministerin inzwischen bereits verbuchen. Nach monatelanger Untersuchung konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass die russisch-deutschen Ostsee-Gaspipelines nicht gesprengt, sondern von einem Meteoriten schicksalshaft getroffen wurden.