Waffenbrüder

Dire Straits , Brothers In Arms © Alamy Stock Photo

Zusammenstehen, Schulterschluss, Freundschaft und Werte als Allheilmittel gegen die dystopische Fratze der Spaltung, Fragmentierung, Inflation, Rezession, Energieklemme, des Protektionismus für die von Alpträumen geplagte pazifistische Nomenklatura westlicher Provenienz. 

„Wir müssen wissen, wie wir wieder Waffenbrüder werden können“, meinte der französische Präsident anlässlich seines Staatsbesuchs zu seinem Gastgeber in Anspielung auf die beiden siegreichen Weltkriege und warnte seinen Freund, den Biden Joe, vor einer „Fragmentierung des Westens“. Diesmal waren aber nicht unterschiedliche Vorstellungen über die Kampfführung der NATO Anlass für die Verärgerung, die seinen Vorgänger General de Gaulle in den 60ern zum Austritt aus der NATO veranlasst hatten, sondern die „superaggressive Initiative“ des Inflation Reduction Acts (IRA) in der Höhe von rund 400 Mrd. Dollar, mit dem die USA mit Subventionen und Steuergutschriften ihre eigene Industrie protegieren. Es sei ein „Jobkiller“ für Europa, grummelte der Herr des Élysée, die Politik des „America First“ des vormaligen Präsidenten Donald Trump mit seinen Strafzöllen nicht nur auf Importe aus China, sondern auch auf Aluminium und Stahl aus Europa noch in schmerzhafter  Erinnerung, mit denen die USA ihre wertemässig stark verbundenen europäischen Freunde doch etwas brüskierten; insbesondere Frankreich, als sich zeigte, dass sich auch dessen Nachfolger Biden nicht scheute, seine Freunde bevorzugt zu behandeln, indem er das französische U-Boot-Geschäft mit Australien 2021 zum Platzen brachte und selbst an Land zog.

„Das Wichtigste ist: Wir stehen zusammen“, beschwor die für den Wettbewerb zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager anlässlich des Treffens des Transatlantischen Rats für Handel und Technologie das europäische Erfolgsrezept zur Standortattraktivierung, freilich etwas verzagt angesichts des amerikanischen Alleingangs im globalen Wettbewerb und überrascht von dessen Geschwindigkeit, mit dem die amerikanische Regierung ihre  Milliardensubventionen für moderne Spitzentechnologie auf die Wege brachten. „Ich denke, ein Krieg ist genug“, sagte die Wettbewerbskommissarin, einen Handelskrieg unbedingt vermeiden wollend, weshalb im Austausch mit den USA wertemässig vor allem Transparenz essentiell sei, und etwas enttäuscht darüber, dass die Vereinigten Staaten nicht nur in wirtschaftlichen Dingen gewohnt sind, allein zu entscheiden. „Buy American, America First!“

„Unser Zusammenhalt ist unser grösstes Pfund“, resümierte der deutsche Kanzler Olaf Scholz in seiner Neujahrsansprache das Wundermittel gegen Rezession und Energieklemme, nachdem sich die deutsche Regierung mit der geplanten staatlichen Stützung der Energiepreise, dem etwas regressiv als „Doppel-Wumms“ bezeichneten 200 Milliarden Euro teurem Schutzschirm für die Energieversorgung im Winter, den Ärger Frankreichs und Italiens über dieses „Germany First“ zugezogen hatte und sich schliesslich doch dem Preisdeckel der EU und der führenden westlichen Industrienationen anschloss, dem ökonomischen Urteil der Kommissonspräsidentin Von der Leyen vertrauend, wonach die Massnahmen helfen werden, die globalen Energiepreise zu stabilisieren, wofür diese von der US-Regierung sehr gelobt wurde. Die Antworten des Kremls auf diese Massnahmen sind allerdings noch nicht so genau bekannt, was der Prognose eine gewisse Unsicherheit verleiht.

„9 packages of sanctions and the effect is less than 0!” beschreibt der ehemalige belgische Premier und EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt das Dilemma der EU-Kommission, den Ukrainekrieg zum grösstmöglichen eigenen Schaden und geringsten Nutzen für die Ukraine, deren Wirtschaft im letzten Jahr um 30% geschrumpft ist, fortzusetzen.

Auch die österreichische Klimaschutzministerin ist inzwischen skeptisch, bedeutet doch ein Preisdeckel für an sich umweltschädliches Gas, das zu substituieren man sich vorgenommen hat, angesichts allfälliger Retorsionsmassnahmen Russlands ein nicht unbeträchtliches Risiko für die gesamte Versorgung, weshalb man sich im Rat der Energieministerinnen und -minister vorsorglich der Stimme zu einem Gaspreisdeckel enthalten hat, obwohl man im vergangenen Sommer sündhaft teures Gas eingekauft hat, dessen Preis man erst realisieren muss.

Der deutsche Bundeskriegsminister Habeck, der in der Vergangenheit immer wieder von der „Gasmangellage“ deliriert, sogar die Priorisierungsfrage gestellt hat, wonach bei Gasknappheit nicht nur die Industrie, sondern auch die Verbraucher ihren Beitrag leisten müssten, sieht indessen in der aktuellen Gaskrise aufgrund einer neuen Allianz aus Klimaschutz und Energiesicherheit eine grosse Chance.

Mit der Eröffnung des ersten deutschen Importterminals für Flüssigerdgas und dessen Betrieb durch den inzwischen um etwa 30 Milliarden Euro verstaatlichten Ölimporteur Uniper in Wilhelmshaven sei sichergestellt, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet ist, womit eine Gasmangellage abgewendet werden konnte mit der Folge, „dass die deutsche Wirtschaft (!) und die Unterstützung der Gesellschaft für die Ukraine zusammenbrechen (!) würden“, erläuterte der Kriegsminister der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 

Statt der bisher von Russland importierten rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas liefern die LNG Terminals zwar bloss 13 Milliarden Kubikmeter, etwas teurer, ein bisschen amerikanisches Frackinggas dabei, und die Herstellung der dafür nötigen Infrastruktur war nicht ganz billig. Auch das Problem der Beschaffung der nicht unbeträchtlichen fehlenden Menge des benötigten Erdgases ist nicht geklärt, wird aber die Dauer des Kriegs nicht unwesentlich mitbestimmen, weil die 30 Jahre bis zur angestrebten Klimaneutralität eine doch lange Zeit darstellen.

Während der smarte deutsche Kriegsminister sicher ist, dass sich Russland inzwischen auf dem Weg zur militärischen Niederlage befindet, wendet er sich seinem nächsten Lieblingsthema zu, der Reduzierung der Abhängigkeiten von China, dessen Entwicklung in den als vertraulich eingestuften „Internen chinapolitischen Leitlinien“ seines Ministeriums, das laut derStandard der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, als sehr problematisch beschrieben wird, weshalb mit umfangreichen Auflagen für deutsche Firmen im China-Geschäft gerechnet werden muss.

Indessen überrascht der ukrainische Präsident mit einem Besuch kurz vor Weihnachten in Washington; klarerweise im olivgrünen Kampfleiberl, obwohl ihm der Biden Joe bedeutet hat, dass eine Tarnung im Kongress nicht mehr notwendig sei, nachdem die Sicherheitsvorkehrungen seit dem letzten etwas rabiaten Regierungswechsel deutlich verstärkt worden seien. Mit einer emotionalen patriotischen Rede vor dem Kongress, einem feuchten Schmatz auf die Wange der gerührten Pelosi Nancy und der Zusage für ein fast 50 Milliarden Dollar fettes Ukraine-Hilfspaket sowie des Patriot-Flugabwehrsystems verabschiedet sich der patriotische Schauspieler schon bald von seinen patriotischen US-Freunden und kehrt nach Kiew zurück. 

„Unser Zusammenhalt ist unser grösstes Pfund“, gibt sich der kollateralgeschädigte deutsche Bundeskanzler in seiner Neujahrsansprache optimistisch und gleichzeitig enttäuscht, dass die wertemässig inniglich verbundenen amerikanischen Freunde nicht nur die in der Ostsee liegenden Gaspipelines, sondern auch die deutsche Souveränität in die Luft gesprengt und Deutschland damit den Rang eines Aussengebietes der USA ähnlich jenem Puerto Ricos zugewiesen haben.