Festakt©Klaus Titzer/APA/picturedesk.com
…lautet der neue Befehl anlässlich festlicher Ereignisse beim Abschreiten der Ehrenfront des Bundesheeres, der weniger der Blendung durch die tiefstehende Sonne geschuldet ist, sondern vielmehr einem subtilen Verdrängungsmechnismus, der einhergeht mit ausgeprägtem Mitläufertum, einer traditionellen Schwäche der Republik.
Nur so ist zu verstehen, dass nach jahrzehntelanger verzweifelter Konstitution eines österreichischen Nationalbewusstseins mittels Fitmärschen am 26. Oktober, dem Tag des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates zur österreichischen Neutralität, deren Stellenwert sogar mit einem Nationalfeiertag gewürdigt wird, eben diese Neutralität trotz salbungsvoller Bekenntnisse infolge eingeschränkter institutioneller Analysefähigkeit und amnesischer Prozesse einer gewissen Obsoleszenz verfällt.
Konstruiert als Neutralität nach Schweizer Muster zeigte sich in der Praxis schon bald die Schwäche der staatlichen Souveränität Österreichs im Vergleich zum eidgenössischen Nachbarn, besonders in der deutlich schlechteren Ausstattung des Bundesheeres, aber vor allem im Bereich der von den Schweizern als „Geistige Landesverteidigung“ bezeichneten und von allen gesellschaftlichen Bewegungen getragenen Verteidigung von demokratischen „Schweizer Werten“ gegen totalitäre Systeme und Staaten.
Verständlicherweise ist dieses Unterfangen schwierig, hätte man doch nach Jahrzehnten der Habsburgerei, des Austrofaschismus und der Nazizeit die geistige Landesverteidigung vor allem gegen sich selbst richten müssen.
Daher bedurfte es einer „situationselastischen“ Neuinterpretation der Aussen- und Sicherheitspolitik, die das österreichische Bundesheer 1994 schon bald nach der Implosion des Warschauer Pakts mit dem Beitritt zur „Partnerschaft für den Frieden“ der ebenfalls ihrer sinnstiftenden Existenz beraubten NATO löste und sich damit neue militärische Perspektiven statt des öden Kasernenalltags eröffnete.
Das Instrument zur gebotenen Neubewertung der österreichischen Neutralität lieferte das Völkerrecht, für dessen Einhaltung bei Verletzungen des Gewaltverbots eigentlich die Vereinten Nationen zuständig wären, die es aber aufgrund des Vetos der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates de facto nicht sind, weshalb mächtige Staaten eher das unilaterale Prinzip des Dreinhauens bevorzugen, bei dem sie gleichzeitig als Ankläger, Richter und Exekutor agieren können.
Diese Logik kommt dem österreichischen Naturell sehr entgegen, im Zweifel auf der Seite des Mächtigeren zu stehen, und so ist es nicht verwunderlich, dass das österreichische Aussenamt bei der Interpretation von militärischer Aggression vorzugsweise unterschiedliche Massstäbe anwendet, deren Trennschärfe nicht die militärische Neutralität darstellt, sondern die politische Werteverbundenheit, die besonders gerne vom Präsidenten des Nationalrats verbreitet wird, wobei Aussenstehenden nicht ganz klar ist, worin sich die wertemässige Substanz Niederösterreichs mit jener der Vereinigten Staaten berührt. Eher ist Österreich ja wertemässig mit russischem Erdgas verbunden, weshalb das Aussenministerium mit der Ausweisung von Diplomaten sehr zurückhaltend war, was nichtsdestoweniger zur Wahrnehmung Österreichs als feindseliger und nicht neutraler Staat geführt hat.
Die praktizierte schlüpfrige Indifferenz lässt Österreichs Aussenpolitik so auch im gegenwärtigen Israel-Hamas-Konflikt nicht gut aussehen, wiewohl Palästina ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und der untote Adolf auf dem Balkon der Neuen Hofburg in Sichtweite des Minoritenplatzes noch sehr präsent ist. Haltung wäre angesagt statt gebeugter Rücken.
Wenn Sie sich demnächst also „Rund um den Ring“ bewegen, einer Neuauflage des legendären Fitmarschs zur Festigung des Nationalbewusstseins, auf den Heldenplatz blicken und dort Sonntagsreden hören, obwohl es Donnerstag ist, dann lieber „Augen zu und durch!“