Heimkehr nach Lemberg

© KHM-Museumsverband, Wien

Der alte Herr hatte es schnell begriffen. Die Chance, die sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ergeben hatte, war die einmalige Gelegenheit der Restitution der schon tot geglaubten Habsburgermonarchie. Vor allem mit den Tschechen, aber auch den Ungarn war nicht zu rechnen, zu tief sass deren historischer Groll auf den Völkerkerker Österreich. Aber Galizien als Kernland einer neuen Österreichisch-Ukrainischen Monarchie war der zarte Hoffnungschimmer für die Rehabilitierung des Vielvölkerstaats. Und so betrieb der alte Herr mit Verve und Ausdauer in einem ersten Schritt Lobbying für die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union und setzte sogleich seinen begabten Sohn Karli, der sich wieder „von“ Habsburg nennt und als Betreiber des ukrainischen Radionetzwerkes „Kraina FM“ firmiert, als clandestinen König von Galizien und Lodomerien in Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, ein.

Voller Enthusiasmus griff das in Völkerrechtsfragen äusserst gewievte Aussenamt sogleich die neue Perspektive auf und änderte seine entwicklungspolitische Strategie eher weg von den afrikanischen Armenhäusern hin zu den wirtschaftlich mehr Erfolg versprechenden Ländern Südosteuropas und des Südkaukasus, wo nicht nur der weisse Schnee des Elbrus glänzt, sondern auch das nicht allzuferne schwarze Gold des Kaspischen Meeres.

Die neue aussenpolitische Strategie eines österreichisch-ukrainischen Imperiums vom Baltikum zum Schwarzen Meer löste augenblicklich Begeisterung aus, insbesonders unter den österreichischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die hoffen konnten, dass mit der Osterweiterung der Europäischen Union unter kaiserlichen Insignien auch eine bedeutende Aufwertung ihrer Stellung einhergehen würde. 

Lediglich der Österreichische Verwaltungsgerichtshof äusserte Vorbehalte, weil er zu befürchten hatte, seine prächtige Residenz in der ehemaligen Böhmischen Hofkanzlei am Judenplatz aufgeben zu müssen. 

Damit stand der Aufnahme des neuen Kronlandes der zukünftigen Österreichisch-Ukrainischen Monarchie als Teil einer neuen Europäischen Union bloss noch die umstrittene Hauptstadtfrage – Wien statt Brüssel und Lemberg statt Strassburg – im Wege sowie die Frage der militärischen Umsetzbarkeit des neuen Imperium Austriacum. So ganz konnte man diese schwierige Aufgabe dem doch etwas geschrumpften österreichischen Bundesheer nicht zutrauen, weshalb sogleich klar war, dass da nur die NATO helfen konnte, weil mit einem gewissen Widerstand Russlands zu rechnen war.

„Ukraine? You mean South Pacific?”, hatte der ehemalige amerikanische Präsident seinen ehemaligen österreichischen Amtskollegen, dem etwas in unschöne Kommunikation verwickelten Bundeskanzler, und dessen Amtsnachfolger und nunmehrigen Aussenminister gefragt und damit auch sein Unverständnis bzw. seinen Unwillen zur Gewaltanwendung bekundet, ehe er sich mit seiner versuchten leicht gewalttätigen Übernahme des Kapitols aus dem Weissen Haus katapultierte.

Da war guter Rat teuer. Karli hatte ihn. Man bräuchte ein entsprechendes Friedens-Narrativ, eines, das alle glauben würden, das die Sympathien möglichst einseitig verteilt, quasi David gegen Goliath. Er wüsste da jemanden, der das bewerkstelligen könnte, ein begnadeter Komödiant. Der Kaiser bräuchte bloss neue Kleider. 

Staunend verfolgte bald der ganze Orbit die glänzende Inszenierung aus den TV-Studios der Metro von Kiew, rasch war Russland in eine „militärische Spezialoperation“ verwickelt, schloss die NATO ihre Flanken, sanktionierte die Europäische Kommission Russland und sich selbst, indes  der Patriarch von Kiew in der Corona-Krise die Sündhaftigkeit der Menschheit und in der Homo-Ehe das schlechthin Böse vermutete und so dem nationalistischen Kampf Sinn und Richtung verlieh, während der Komödiant von Kiew über atomare Präventivschläge gegen Russland sinnierte.

„Die Sanktionen wirken, jeden Tag ein Stück mehr. Jetzt brauchen wir Nervenstärke und strategische Geduld“, hatte der Aussenminister noch vor einiger Zeit beim Forum Alpbach gemeint und ein paar Allgemeinplätze nachgelegt von den Sanktionen der freien Welt und den Bedrohungen für unsere Sicherheit durch Selbstzufriedenheit und Spaltung. 

Im Guten vereint gegen das Böse konnte man schon bald zufrieden Bilanz ziehen. Fast 20 Mrd. Dollar Militärhilfe hätten die USA seit Beginn seiner Amtszeit Kiew zur Verfügung gestellt, allerdings sei er wenig optimistisch in Bezug auf ein baldiges Ende des Krieges, meinte der derzeitige US-Präsident, die erfolgreiche Strategie eines jahrelangen Abnützungskrieges gegen Russland erläuternd. 

Die 200.000,- Dollar pro gefallenem Ukrainer und vermutlich dieselbe Summe bzw. Zahl für die gefallenen Russen sind dennoch als wohlfeil zu bezeichnen hinsichtlich der ungeahnten Möglichkeiten, die sich im Rahmen eines noch zu errichtenden Ukrainian Reconstruction Fund (URF) eröffnen, wissen nicht nur die kriegshetzenden deutschen Grünen und ihre österreichischen Adepten, sondern auch die Ökonomen in der österreichischen Präsidentschaftskanzlei und der Bundesregierung.

Nach den durchwegs positiven Erfahrungen zur Bewältigung der COVID-Krise mit dem Pandemic Emergency Purchase Program PEPP in der Höhe von 1.850 Mrd. Euro für Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank sind die finanziellen Auswirkungen der Sanktionen des vor allem Europa und weniger die USA betreffenden wirtschaftlichen Schadens und des Wiederaufbaus der Ukraine mittels Euro-Bonds, wie vom ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank vorgeschlagen, leicht zu beheben; von der Klimakrise ganz zu schweigen, deren Bewältigung allein unter 5.000 Mrd. Euro nicht zu haben sein wird.

Die eingemahnte strategische Geduld sollte sich für Österreich lohnen, ein bisschen Inflation halt, schmunzelt zufrieden der Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äusseren von Schallenberg über seine Beförderung, die offizielle Wiederaufnahme in den Adelsstand und die Teilhabe der Österreichisch-Ukrainischen Monarchie im Konzert der europäischen Grossmächte.