Das Loch

Der Löcher gibt es viele: harmlose, wenn sich die grosse Zehe durch die Socke frisst; psychische, wenn Depressionen Leidende in ein Loch fallen lassen; die die menschliche Vorstellungskraft sprengenden Schwarzen Löcher der Astronomie bzw. Physik, die nicht nur Raum und Zeit verbiegen, sondern alles verschlucken, was ihnen zu nahe kommt; last but not least die den Schwarzen Löchern nicht unähnlichen Budgetlöcher, deren Schwerkraft alles in ihren gierigen Schlund zieht und die nicht so leicht zu stopfen sind wie eine Socke.

Seit ein ehemaliger Gesundheitsminister auf den Hund gekommen ist, beeindrucken Budgetlöcher in Österreich niemanden mehr. Ungerührt legt man auf die 53 Milliarden Euro „Pandemiebewältigung“ noch einmal 20 Milliarden Euro drauf und vergrössert so das Loch für 2024 „zukunftsorientiert“ für den kommenden Wahlkampf um satte 20 Prozent.

Derartige Nonchalance bei der Verfolgung von eigenen Interessen ist unseren sensiblen deutschen Nachbarn völlig fremd. Schmerzhaft muss gegenwärtig die deutsche Bundesregierung die Erfahrung machen, dass Versuche,  Kreditermächtigungen zwecks Überwindung der Corona-Krise zur Bewältigung der nunmehrigen Rezession umzuwidmen, vorerst am Einspruch der schwäbischen Hausfrauen am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert sind. 

Unbeeindruckt von den selbst geschaffenen Verfassungsrealitäten, an die zu halten man sich dennoch vorgenommen hat, erklärte der Bundeskanzler jedoch, dass nicht nur die Gasspeicher gut gefüllt seien, auch sei die Bundesregierung jederzeit handlungsfähig, wenngleich die Erklärung einer neuerlichen Notlage wegen der Unabdingbarkeit der Fortsetzung des Ukraine-Kriegs so kurz nach der CoV-Pandemie keinen „schlanken Fuss“ machen würde, wie wir neutrale Ösis sagen.

Eingeklemmt zwischen dem angesichts eines Budgetlochs von 17 Milliarden Euro – worüber gelernte Österreicher nur lachen können – einen strengen Sparkurs fordernden Finanzminister, der auf die Einhaltung der verfassungsmässig verankerten Schuldenbremse pocht, und religiös irrlichternden Weltrettern blickt der bedauernswerte Kanzler etwas depressiv auf die transatlantische Konkurrenz, die sich gerade mit dem Inflation Reduction Act ein 738 Milliarden Dollar Investitionsprogramm genehmigt hat, und ruft seine etwas auf Talfahrt befindliche Partei zu Geschlossenheit auf, der beliebtesten aller innovativen Metaphern deutscher und europäischer Politik.

Hatte das Wall Street Journal Deutschland 2019 noch die „dümmste Energiepolitik der Welt“ bescheinigt, so zeigt sich mittlerweile allerdings, dass auch Superlative steigerungsfähig sind. Ideologisch getrieben vom gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle, Öl, Atomkraft und (russischem) Gas und den damit verbundenen rasant gestiegenen Energiepreisen vollzieht sich gerade beim rohstoffarmen nachbarlichen Weltverbesserer eine bemerkenswerte industrielle Wende, die gerade Schlüsselindustrien wie die Chemie-, Metall- oder Automobilindustrie betrifft.

Gasbremse hin, Schuldenbremse her, in Krisenzeiten weiss Boris Alberich Pistorius, wie das in den Tiefen des Rheins ruhende Gold der Nibelungen zu heben ist, verdoppelt die Militärhilfe für die Ukraine auf acht Milliarden Euro und begibt eine Bundesanleihe mit Tausendjähriger Laufzeit, das Problem der Schuldenbremse elegant lösend, einen Ring zu schmieden, der dem kleinen Wolodymyr in Kiew zu massloser Macht verhelfe. 

Heizen, Tanken und Elektrizität werden zwar etwas teurer werden, dafür die Klimarettung etwas billiger. 

Ach ja, der Ring. Denn „wer ihn besitzt, den sehre die Sorge, und wer ihn nicht hat, den nage der Neid…“, verflucht der von Wotan überlistete Schwarzalbe den Ring.

„Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen, in höchster Ergriffenheit, dem wachsenden Feuerschein am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man den Saal Walhall`s, in welchem die Götter und Helden … versammelt sitzen“ (R. Wagner, Götterdämmerung), …ehe das Schwarze Loch sie verschlang.