Handke am Bande

„Wir haben Peter Handke viel zu verdanken. Ich hoffe, er weiss das“, tönte es aus der Präsidentschaftskanzlei nach der Nachricht von der Verleihung des Literaturnobelpreises 2019, wobei bis heute der Gegenstand der Dankbarkeit nicht ganz geklärt ist, bloss dass es viel sei und der Geehrte das gefälligst wissen möge.

„Ein literarisches Ausnahmetalent“ nannten ihn gar die damalige Bundeskanzlerin und der Kulturminister, eine gerne im Sport verwendete Metapher, wenn das erkannte Talent noch einige Jahre brauchen würde, um zu voller Blüte zu reifen.

Dabei kann sich der Geehrte wegen seiner Haltung in den Jugoslawien-Kriegen auch der ungeteilten Verachtung der Serbien-Gegner sicher sein. Einen „Genozid-Leugner“ nannte ihn gar der ehemalige albanische Aussenminister, etwas defensiver die Gender-Expertin und ehemalige österreichische Staatssekretärin für Kunst und Kultur, die „die Entscheidung für den Nobelpreis an Peter Handke nicht wirklich nachvollziehen“ konnte. 

Dessen „Gerechtigkeit für Serbien“ hatte jahrelang nicht nur die literarische Öffentlichkeit polarisiert, schien es doch klar zu sein, dass der verbrecherische Nationalismus ein völkisches Privileg Serbiens sei. Dabei hatte speziell der Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gezeigt, dass die begangenen Kriegsverbrechen bosnischer Kroaten, bosnischer Serben, kroatischer Serben, Kosovo-Albaner, Bosniaken, Serben, Kroaten, Montenegriner, Mazedonier nicht nur die multikulturelle bunte Vielfalt des ehemaligen Jugoslawien widerspiegeln, sondern auch dessen Nationalismus, ungeachtet des grauenhaften, von der Armee der Republika Srpska an Bosniaken verübten Massakers von Srebrenica.

Über die Rolle der Vereinten Nationen und die die Schutzzone Srebrenica überwachenden niederländischen Blauhelme sei gnädig der Mantel des Schweigens gebreitet.

Kriegsverbrechen zu relativieren verträgt sich dennoch nicht, wie der Hinweis auf die ohne ausdrückliches UN-Mandat gegen die Bundesrepublik Jugoslawien durchgeführte völkerrechtswidrige Operation Allied Force der USA unter dem Mantel der NATO im Zuge des Kosovo-Krieges zeigt. Die Bombardierung serbischer Grossstädte, der Einsatz von Streubomben und Uranmunition sprechen nicht für die „humanitäre Intervention“ der NATO, wegen deren „Notwendigkeit“ sich erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg auch Deutschland mit dem Hinweis des damaligen Aussenministers Fischer auf Auschwitz beteiligt hat. 

Auschwitz ist nicht Srebrenica ist nicht Belgrad. 

„Wir sollten unsere Wirtschaft in Europa auf Kriegswirtschaft umstellen“, meinte dessen ungeachtet ein ehemaliger NATO-Generalsekretär jüngst in einem Interview. 

Auschwitz ist nicht Srebrenica ist nicht Belgrad. Aber die, die bombardiert, massakriert, vernichtet haben, „gehören nicht zu Europa und dem Planeten Erde“, wie es Handke einst formuliert hatte.

„Genie“ sei es, „das die drei Geehrten verbinde“ meinte der Bundespräsident nun in seiner Laudatio im Spiegelsaal der Hofburg 2024 anlässlich der Verleihung des höchsten Ordens der Republik, des „Grossen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für die Verdienste um die Republik Österreich“ an die Nobelpreisträger Anton Zeilinger, Eric Kandel und Peter Handke. 

„Heimat bist du grosser Söhne“ heisst es im Text der Bundeshymne der Zweiten Republik, ehe diese 2012 auch ihre Töchter entdeckte. Nicht immer hat Österreich das so gesehen. Gleich sieben von fünfundzwanzig österreichischen Nobelpreisträgern wurden von den Nazis vertrieben oder mussten vor ihnen fliehen, darunter der zehnjährige Eric Kandel.

Die Dankabstattung sei der Republik gegönnt, auch wenn kein Licht derer „am Bande“ auf sie fiele.